Künstlerisches Schaffen im Kloster Ryumon Ji

Eine neue Statue wird bald im Tempel-Garten Einzug halten. Es handelt sich um einen großen Drachen aus Vogesen-Sandstein, der eine Perle in den Pfoten hält.

 

Es sei daran erinnert, dass das japanische „Ko San Ryu Mon Ji“ „Tempel“ (Ji) der „Pforte“ (Mon) des „Drachens“ (Ryu) des „alten Berges“ (Ko San) bedeutet und dass der Drachen eine besondere Stellung in der sino-japanischen Mythologie einnimmt. Ihr kennt vielleicht auch das Gleichnis vom Praktizierenden, der bei der Verwirklichung des Weges einem Fisch gleicht, der eine gewisse Pforte im Meer durchschwimmt und sich in einen Drachen verwandelt…

 

Das Werk entsteht gerade in einem Steinbruch in der Nähe von Weiterswiller. Der Künstler heißt Alexandre

Dikoune. Er ist 25 Jahre alt und ein Wandergeselle (Compagnon), der in die  prestigeträchtige Steinmetz-Zunft aufgenommen werden will.

 

Alexandre kommt seit einigen Monaten ins Straßburger Dojo und hat dort Olivier Reigen Wang-Genh kennengelernt. Er hat ihm in einem E-Book eine Sammlung seiner bereits realisierten Werke gezeigt, die von einer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit und Reife zeugen. Alexander ist letztes Jahr nach Straßburg gekommen, um dort sein „Meisterwerk“ zu schaffen, das Voraussetzung für die Aufnahme in die Steinmetz-Zunft ist.

 

Er arbeitete auch auf einer Baustelle des Straßburger Münsters. Alexandre hat die Schule mit 15 Jahren verlassen, um die Steinbildhauerei zu lernen. Nach bestandener Abschlussprüfung hält er sich in England auf, um das Land zu entdecken und die Sprache zu lernen. Währenddessen hilft er auf Baustellen beim Restaurieren, vor allem in verschiedenen Kirchen Oxfords. Er reist dann durch Asien, wo er mit Interesse die Architektur der buddhistischen Tempel studiert. Zurück in Frankreich vollendet er seine Ausbildung zum „Compagnon“ in der Pariser Region und begibt sich dann ins Elsass, um sein „Meisterwerk“ zu verwirklichen. Dieses Stück entspricht nicht den tradierten Vorstellungen und so hat es Alexandre bevorzugt, es auf sozusagen heimliche Weise auszuführen, weil er fürchtete, die Verantwortlichen der Bruderschaft, eher der Tradition als der Neuerung zugeneigt, würden Vorbehalte haben. Es handelt sich um ein abstraktes und symbolisches Werk, das sich

sicherlich von den meisten anderen, der Jury präsentierten Werke unterscheidet: Ein Teil des Stückes besteht aus einem Verbund von Räderwerk und Labyrinthen, wo man Figuren erkennen kann, die die Entwicklung des Lebens symbolisieren, von den Anfängen bis zu den großen Menschheitskulturen. Ein anderer Teil zeigt religiöse, astrologische und andere Symbole, was dem Ganzen eine kosmische und spirituelle Dimension gibt. Als die anfängliche Überraschung vorbei war, hat die Jury den Vorschlag angenommen…

Während der Gespräche zwischen Alexandre und Olivier Reigen Wang-Genh entstand bald die Idee, einen großen Drachen aus Sandstein für den Tempel zu erschaffen und die beiden begannen ganz konkret Skizzen und Entwürfe zu diskutieren.

Der junge Bildhauer lebt seit ungefähr einem Monat im Tempel, beginnt die Tage mit Zazen und arbeit jeden Tag an der Skulptur. Er hat mit dem Besitzer eines Sandsteinbruchs in Adamswiller unweit von Weiterswiller Kontakt aufgenommen, der ihn empfangen hat und in Anbetracht der Qualität der Arbeiten Alexandres alles tut, um ihm die Arbeit zu erleichtern.

Der Drachen wird Ende Juli fertig gestellt sein. Er wird sich dann harmonisch in den Tempel-Garten einfügen, ohne dass dessen Ruhe und Einfachheit darunter leiden wird. Vielleicht wird auch sein Meisterwerk dort einen Platz finden.

 

Pascal Kangen Normandin

 

 

 

 

 

 

 

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